Orientierungshilfe

Wer täglich durch andere Länder reist, verliert schnell die Orientierung. Schon kleinste Beobachtungen können dann helfen, den Aufenthaltsort zu identifizieren. Wenn man zum Beispiel beobachtet, dass sich morgendliche Spaziergänger mit Hund nicht etwa mit der gegenseitigen Frage „Wie heißt denn der Süße“ begrüßen, sondern vielmehr mit „Wie viel wiegt denn Ihrer?“, dann ist man in China. Chinesen nämlich essen so ziemlich alles, was keinen Führerschein hat, besonders gerne Hund.

DENKZETTEL

3/20/20152 min lesen

Thought of the day by Gunter Denk
Thought of the day by Gunter Denk

Dabei sind Chinesen durchaus auch manchmal Tierfreunde. Beobachten kann dies der Besucher zum Beispiel bei einer Busfahrt durch einen Tierpark nahe Schanghai: Der Fahrer holt dort schon einmal ein flatterndes Hühnchen aus dem Handschuhfach, um diese aus dem Fenster zu werfen und den Löwen rund um den Besucherbus eine kleine Freude zu bereiten.

Untrügliches Zeichen über den Aufenthaltsort in China ist auch eine Fahrstuhlfahrt. Wenn nach Öffnen der Tür zunächst bis zu 20 sprungbereit Wartende unter Aufbietung aller Kräfte in den Fahrstuhl drängen, dort dann ein scheinbar unkontrolliertes Massen-„Gedränge“ in bestem Rugby-Stil stattfindet, und am Ende der Fahrstuhl diejenigen nach außen spült, die auf dieser Etage aussteigen wollen, dann ist man ganz sicher in China. Bestätigt wird diese Gewissheit, wenn unter den Fahrgästen Sonnenbrillenträger sind, deren rechtes Brillenglas zu einem Drittel durch einen goldenen Aufkleber mit dem Markenzeichen des kostbaren Sehgeräts (oder dessen Kopie) verdeckt ist.

Aufschluss gibt oft auch der Straßenverkehr. Wenn man als Beifahrer in einem Taxi regelmäßig in Kurven ins Weiße der Augen eines entgegenkommenden LKW-Fahrers blickt, dann ist man in Thailand. Thailändischer Logik folgend ist es nämlich ein ungeschriebenes Gesetz, dass man zum Überholen nur vor einer Kurve ansetzt. Nur dort nämlich sieht man kein Auto entgegenkommen. Damit man bei seinem besonders störrischen und eigensüchtigen Verkehrsverhalten nicht erkannt wird, verdunkeln um Übrigen Thailänder Scheiben rundum mit 80 % geschwärzter Folie. Eine Ausnahme gilt für Fahrer eines Mercedes oder eines BMW. Als Besitzer solcher Art Luxuskarossen möchte man natürlich auch gesehen und erkannt werden. Und die eingebaute Vorfahrt dieser Fahrzeugtypen macht die eigene Rücksichtslosigkeit dann ja auch für alle Beobachter zur Selbstverständlichkeit.

Dass man Thailand verlassen und in Vietnam angekommen ist, erkennt man wiederum an der Hupe. In Thailand gilt Ihre Benutzung als übelste Rohheit und kann zu sofortigem Handgemenge unter den Beteiligten führen. In Vietnam ist die Hupe hingegen oft das einzige, was an Auto oder Moped überhaupt funktioniert. Dies stellt man dann auch stets unter Beweis. Selbst wenn vor eine Ampel oder – was man häufiger findet – bei einem Verkehrsunfall der Verkehr sechs Spuren breit und 200 Meter tief steht, fühlt sich ab Reihe 2 jeder, und zwar ohne Ausnahme jeder, verpflichtet oder zumindest angehalten, durch ständiges Hupen darauf aufmerksam zu machen, dass er eigentlich schneller vorankommen möchte.

Schließlich eine letzter Orientierungstipp: Wenn in riesigen Wohnwagen-Burgen ganz in orange gekleidete Menschen mit finsterer Miene Volksliedern im 4/4-Takt (z. B. „Oh Du schöner Westerwald“), gesungen von eher korpulenten Menschen mit schwarz-rot-goldenen Fan-Hüten, lauschen, dann ist man zurück in Europa und … in Spanien, wo holländische Wohnwagenurlauber nach tagelangen Staustrapazen und strenger Butterbrotdiät Ihr Urlaubserlebnis mit deutschen Platznachbarn teilen dürfen.

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