Über Mitarbeiter, Lob, Tadel, Hunde und Katzen

Kürzlich erfuhr ich auf interessante Weise den Unterschied zwischen Hund und Katze: Lobt man den Hund für sein Anstrengungen im Spiel, ist er hoch motiviert. Er strengt sich umso mehr an, um erneut durch Lob belohnt zu werden. Er ist glücklich. Sein ganzes Verhalten drückt aus: "Mein Frauchen liebt mich. Sie ist mein Gott!" Lobt und streichelt man hingegen eine Katze, schnurrt sie wohlig, streckt sich ... und wird überheblich: "Mein Frauchen liebt mich. Ich glaube, ich bin Gott!" Danach tut sie gerade mal, was sie will.

DENKZETTEL

Dr. Gunter Denk

4/10/20214 min lesen

two person standing on gray tile paving
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Mir wurde klar: Genauso unterschiedlich reagieren auch Menschen.

Da gibt es die Mitarbeiter der Kategorie "Hund", die sich durch Lob und Belohnung zu weiterer Leistung motivieren lassen. Ich kenne Sie noch aus der meiner langen Berufserfahrung in Europa. Es entstanden enge Bindungen über Jahrzehnte.

Es war unbedacht, diese Erfahrung anfangs auf die Länder Asiens zu übertragen. Lob ist hier kein Teil der Arbeitskultur. Ungewohnt, von ihrem "Boss" gelobt zu werden, reagieren Mitarbeiter eher wie "Katzen". "Der lobt mich!“, stutzt selbst der ansonsten gerade noch geduldete Mitarbeiter: „Ich glaube, ich bin ein Star. Da kann ich mal meine Anstrengungen reduzieren und dazu noch etwas mehr Geld verlangen".

Wer in Asien Lob einsetzt, tut dies gerade als deutscher Gutmensch oft, um ein "Nice Boss" zu sein. Wenn der Arme nur wüsste, was er bewirk! Nicht etwa Motivation des Mitarbeiters ist das Ergebnis, sondern Selbstüberschätzung, die es in ihrer Wachstumsgeschwindigkeit leicht mit dem der Bambuspflanze aufnehmen kann. Und auch der "MitarbeiterKatze" schadet solcherlei Schmeichelei auf Dauer. Sie lässt in ihrer Leistung nach, macht was sie will, und disqualifiziert sich zunehmend von ihrem Job.

Gerade der unerfahrene Westler hält überschwängliches Lob oft für so etwas wie ausgesuchte Höflichkeit oder gar „Anpassung an die asiatische Freundlichkeit“. Das ist ein Trugschluss. Zurückhaltung bei jeder bewertenden Äußerung, verbunden mit Anregungen zur Verbesserung, führt eher zum Ziel.

Überhaupt ist es schwer, als Westler in Asien mit Lob und Tadel Loyalität zu erreichen. Man staunt mit Augen groß wie Tennisbälle, wie herabwürdigend hier mancher lokale Boss seine Mitarbeiter behandelt ... und welchen anhänglichen Respekt er dafür erntet. Mancher Ausländer glaubt, das müsse er dann halt auch so tun und wundert sich dann, wenn es zum Gegenteil führt: Es werden über ihn und sein Verhalten im Nu Grausamkeiten berichtet, die ihm nicht einmal am Freitag den 13. in seiner Fantasie vorstellbar wären.

Aber auch bei uns im Westen fällt die Balance zwischen nützlichem und schädlichen Lob nicht immer leicht: Ich schätze amerikanische Schulen, weil sie gute Leistungen belohnen und damit zu mehr Anstrengung motivieren. Allerdings frage ich mich, ob es wirklich Sinn macht, den mit "Double-Whoppers" gemästeten, 8-jährigen kleinen Fettsack auf Schultern durchs Stadion zu tragen, weil er es am Ende geschafft hat, beim 800 m Lauf mit eineinhalb Runden Rückstand ins Ziel zu rollen. Irgendwo sollte man dem kleinen Loser auch vermitteln, dass er sich so nicht gerade als künftiger Olympiasieger fühlen darf.

In Deutschland wiederum verwechselt man die Balance zwischen Lob und Tadel mit Gleichmacherei. Natürlich akzeptiere ich, dass man ins Zeugnis des kognitiv suboptimal ausgerüsteten Azubis nicht einfach schreiben darf, dass er nun einmal dumm wie Brot war und dazu noch jeden Tag mangels Körperpflege die Sinnesorgane der Kollegen strapaziert hat.

Auch dass er zur Vermeidung des Kontakts mit Geschäftsgästen vorsichtshalber in den Keller geschickt wurde, um Heizöl zu sägen, muss man ja so deutlich nicht dokumentieren.

Aber muss ich wirklich in einem Zeugnis die "unglaublichen Leistungen" des Dünnbrettbohrers, das "sichere Auftreten" des Angebers, und die "Abhängigkeit des ganzen Unternehmens" von diesem betrieblichen Balljungen verbunden mit der Überzeugung zum Ausdruck bringen, hier einen zukünftigen Industriemagnaten zu verabschieden, nur um nicht vors Arbeitsgericht gezerrt zu werden? Die Pflicht zum Ausstellen eines „wohlwollenden“ Zeugnisses wird aber in der Regel genau so ausgelegt.

Dann lieber gar kein Lob als ein solchermaßen erzwungenes. Thai Mitarbeiter sehen das mit dem Lob und dem Tadel übrigens ganz pragmatisch. Wird die weit verbreitete "Katze" gelobt und soll trotzdem für nicht mehr als den gerechten Lohn weiter arbeiten, sucht sie sich einen neuen Job. Wird der Mitarbeiter getadelt, kommt er am nächsten Morgen halt nicht wieder. So wird das Ergebnis von Lob und Tadel ziemlich vereinheitlicht.

Ein Zeugnis möchte man übrigens in der thailändischen Arbeitswelt erst gar nicht haben. Es stünde nämlich mangels rechtlicher Schutzvorschriften zu befürchten, dass darin die Wahrheit stünde. Dass nämlich der "Master of IT Science" gerade mal den Weg zu Facebook im Internet findet, und der "Master of English Language Science" sprachlich gerade gut genug ist, sich in Schwierigkeiten bringen, keinesfalls aber aus diesen Schwierigkeiten wieder herauskommt. Viele fürchten auch, dass im Zeugnis herauskommt, dass man offenkundig das Masterstudium in London überwiegend mit drei anderen Landsleuten zu Hause zum Kochen von Curry-Gerichten und Jammern über das schlechte Wetter genutzt hat. Das Abschlussdiplom erhalten manche dann als universitäres Gnadenbrot mit nach Hause ins Gepäck.

Jedwede Entdeckung solcher Mangelerscheinungen im täglichen Arbeitsleben durch Kollegen oder Vorgesetzte ist natürlich ein Grund, ohne schuldhaftes Zögern und mit lustigen Ausreden (z.B. im Heimatdorf ist ein Sack Reis umgefallen) unangekündigt das Unternehmen zu verlassen. Was soll’s auch: Zum 9. Mal nach 7 bis 12 Monaten das Unternehmen zu wechseln, so wird man hier im Studium gelehrt, zeugt beim nächsten Opfer (sorry: „Arbeitgeber“) für den Eindruck vielfältigster Berufserfahrung.

Und wer in diesem schönen Land tatsächlich ein Zeugnis möchte, dem gibt man es in der Regel gerne und mit großem Lob, denn er oder sie waren wirklich „top“. Und mangels Konkurrenz bekommen solche Mitarbeiter dann auch wirklich bald den Top-Job, in dem die "Katze" sich dann als "Gott" fühlen kann.

Womit sich der Kreis auch hier schließt.

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